This is Chris NOT LA

Donnerstag, 5. November 2009

Wir haben ein Problem

Stefan Sagmeister
(Bild: elahoffman.pl)


Der gestrige Abend hats mal wieder gezeigt, als Designer hat man es nicht leicht auf dieser Welt. Da sitzen wir, ein Kommunikationsdesigner und eine Modedesignerin, in meiner Lieblingsbar und trinken ganz entspannt ein zwei Bierchen, als eine Gruppe von drei Herren, ihres Zeichens Mathematiker, ein Gespräch mit uns anfangen, in dessen Verlauf einer der drei Mathematiker wissen wollte, was ich denn so tue. Als ich mich dann als Kommunikationsdesigner geoutet hatte, sah ich das riesige Fragezeichen über seinem Kopf schweben. Nach kurzer Erklärung, dass es bei Werbung anfängt, über Zeitungen bis hin zu nem Handyinterface reicht und eigentlich alles umfasst, das im groben Schrift und Bild beinhaltet, nahm die Katastrophe ihren Lauf. Ich hätte den Begriff Werbung überhaupt nicht erwähnen sollen, denn jetzt wurde ich nur noch darauf reduziert und musste mir vorwerfen lassen ich manipuliere nur und der Beruf des Designers sei sowieso oberflächlich und überflüssig. So ging das dann ne knappe halbe Stunde. Jeder Versuch von mir zu erklären, dass Werbung eine eher untergeordnete Rolle spielt wurde konsequent ignoriert. Ich finds erschreckend, wie man so arrogant und ignorant gegenüber anderen Menschen und seiner eigenen Umwelt sein kann, in der ohne Gestaltung einfach nichts, rein garnichts wirklich funktionieren würde. Aber scheinbar ist diese Tatsache bei den Menschen noch nicht wirklich angekommen.

John Galliano
(Bild: cakenotcoke.com)


Bestenfalls finden wir als exzentrische Mode
designer in der Öffentlichkeit Beachtung, aber der Großteil der Designer, und das betrifft vor allem Modedesigner, fristen ein Nischendasein in großen und auch kleinen namenlosen Unternehmen und leisten einen wertvollen kulturellen, aber vor allem wirtschaftlichen Beitrag. Ja, auch das T-shirt von KiK Textildiscount für € 1,99 hat ein Modedesigner gestaltet. Dummerweise wurde der Begriff in Vergangenheit viel zu oft missbraucht, ja vor allem in der Werbung. Was gibts nicht alles, Designer Jeans, Designer-Feuerzeuge, Designer-Kugelschreiber, selbst Klobrillen werden als Designer Ware vom örtlichen Baumarkt angepriesen. Ja, Designer das klingt erstmal ganz toll, edel und teuer. Es klingt meistens aber auch nur so. Ja, ich muss zuegeben, ein wenig Manipulation ist schon dabei (aber das machen ja eigentlich die Werbetexter ;). Aber eigentlich gehts ja nicht um das Produkt selbst, sondern um das was es kommuniziert und um den schon bereits im Kunden existierenden Wunsch, die Sehnsucht nach einem bestimmten Gefühl, das es befriedigt. Insofern ist es ja dann doch keine Manipulation, da diese Sehnsucht nach etwas edlem und teurem schon existiert und von der Designer-Klobrille nur angesprochen und befriedigt wird. Es ist nicht die Klobrille die wir kaufen, sondern die Befriedigung des Wunsches sich auch beim Stuhlgang wie ein richtig toller Typ zu fühlen. Ähnlich bei Bekleidung. Verarbeitungsqualität spielt eigentlich keine Rolle, nur noch der emotionale Wert, inwieweit dieses Kleidungsstück meine Wünsche und Sehnsüchte berfriedigen kann. So kann es auch schnell mal die Zara Kopie vom aktuell sehr angesagten Balmain Blazer sein.


Toni Garrn für Zara
(Bild: LesMads)


Die Tatsache, dass es hierbei um eine eigentlich dreiste Kopie einer kreativen und kulturellen Leistung, in diesem Fall vom Christophe Decarnin, geht, die normalerweise sanktioniert werden müsste, wird hier vollkommen außer Acht gelassen. Denn Zara schafft es, indem es für ihre Werbekampagne ein bekanntes Model (Toni Garrn) bucht, das kopierte Stück nicht kopiert wirken zu lassen. Die Gleichung in diesem Fall wäre: Balmain Kopie + bekanntes Top Model = Befriedigung einer Sehnsucht für wenig Geld. Ebenso ohne den bitteren Beigeschmack nur eine billige kopie zu tragen. Toni Garrn trägt es ja schließlich auch.
Worauf ich hinaus will, wir Designer haben ein Problem. Das einerseits von der Tatsache herrührt, dass wir Menschen uns nicht darüber im klaren sind oder es uns nicht eingestehen wollen, wer wir sind und wer wir eigentlich sein wollen, dass Manipulation eigentlich nicht stattfindet, sondern eine Bedürfnisbefriedigung, die in vielen Fällen auf diese scheinbar
manipulative Art eben am besten zu erreichen ist.
Andererseits auch vom Designer selbst verursacht wird, weil er sich oft selbst nur in dieser romantischen Rolle vom erfolgreich illustrierenden Freelancer oder haute couture schneidernden Stardesigner sehen will und die graue Realität, in der man vielleicht den Angebotsflyer von ALDI layouten muss, gerne mal ausblendet. Ich will mich da garnicht ausklammern. Zu Beginn meines Studiums hatte ich ganz offen und ehrlich überhaupt keinen Plan worauf ich mich da eigentlich einlasse. Es klang einfach nur nach ner super Sache. Mitlerweile hab ich ich festgestellt, das vieles doch nüchterner und auch bodenständiger ist, als ich anfangs dachte. Und genau das sollte auch so kommuniziert werden. Eine breit angelegte Imagekampagne für mehr Akzeptanz und Bewusstsein für Design, sofort!

6 Kommentare:

  1. Danke, für diesem aufschlussreichen Beitrag. Ich habe gerade das Interesse für einen Studienplatz in dieser Richtung (Gesellschaft & Wirtschaftskommunikation) zu "kämpfen". Eine Frage: ist der Beruf dann auf die Umsetzung beschränkt oder kommen Analysen des Marktes, Psychologie, Soziologie usw. dazu?

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  2. ja, man hats nicht leicht. mauern die es einzureißen gilt, finden sich überall...

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  3. Der im Kunden sehnlich liegende Wunsch zu kaufen wird durch die mächtige Maschinerie erst erweckt oder sogar künstlich erzeugt. Designer anythings sind weder lebensnotwendig noch unentbehrlich. Sie entstehen aus purem Geltungsdrang,wo wir wieder genau am anfang meines textes wären, welches syntetisch geschaffen wird um den wirbligen Mechanismus am laufen zu halten. Immer Zu. Immer zu.

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  4. Leonhard! Leider kann ich dir nicht wirklich was zur Wirtschaftskommunikation erzählen. Soweit ich weiß wirst du da unter anderem Konzepte für Werbe- oder PR-Kampagnen erarbeiten. Wirst also eher planerisch im Marketing tätig sein und weniger gestalterische Tätigkeiten, wie im Kommunikationsdesign, übernehmen.

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  5. Ich danke dir herzlich, wenn auch spät

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  6. wie gerne mensch den anderen vorwirft sie zu manipulieren.

    ehrlich und interessant.
    danke für den einblick.

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