This is Chris NOT LA

Samstag, 29. Mai 2010

Ich zitiere:

Klone wollen einfach nur wie wir sein; und sie wollen von uns gemocht werden.

(W.J.T. Mitchell)

Donnerstag, 27. Mai 2010

Jungs Lärm


Danke nochmal an Dieter und Michael von Boys Noize Records und an Shenja für die Vermittlung.
Weitere Impressionen vom letzten Freitag im Ritter Butzke gibts auf dem Boys Noize Blog zu sehen.

Sonntag, 23. Mai 2010

A Single Man - A Fragrance by Tom Ford


Models, die sich als Schauspieler versuchen, das kennt man. Früher oder später, ungefähr mit Mitte zwanzig, setzen die Modelwechseljahre ein. Man fängt an nach Größerem zu streben, möchte endlich ernst genommen werden. Die Karriere wird vom Laufsteg ins cineastische Mittelmaß verlegt.
Modedesigner, die eine Zweitkarriere als Regiesseur anstreben, kennt man eigentlich nur von Karl Lagerfeld, der neben recht lahmer Mode für Chanel und ebenso unspannender Fotos seines Boytoys Baptiste Giabiconi, neuerdings auch ziemlich amateurhafte Kurzfilme bietet.
Etwas ernsthafter geht es dagegen Kollege Tom Ford an. Nun hab ich es mit einiger Verspätung doch noch endlich zu seinem Gesellenstück A Single Man ins Kino geschafft.
Inwieweit der Film sich an Christopher Isherwoods Romanvorlage hält, kann ich leider nicht sagen, da ich sie nie gelesen hab. Jedoch bin ich der Meinung, dass dies für die Bewertung des Films irrelevant ist. So wie ein Foto nie die Wirklichkeit darstellt, kann auch der Film nur eine Interpratation der literarischen Vorlage sein und kann daher nur als solche bewertet werden.

Ein Mann erwacht aus seinem Albtraum, ehe er sich mühsam aus dem Bett quält um seine allmorgendliche Verwandlung in George Falconer, seines Zeichens Literaturprofessor an einer Uni in Los Angeles, zu vollziehen. Sein langjähriger Lebenspartner Jim kam vor ungefähr 8 Monaten bei einem Autounfall ums Leben. Seitdem wird George von schweren Depressionen geplagt. Dies soll sein letzter Tag werden.
Ford zeichnet hier das Portrait eines Mannes, der sich und sein Leben gänzlich einem Konzept unterworfen hat, das vor allem in seinem modernistischen Haus, das wie ein Raumschiff in seiner bürgerlichen Nachbarschaft thront, zum Ausdruck kommt. Jeder Handgriff in der morgendlichen Routine, jeder Gegenstand scheint dort präzise verortet zu sein, und bildet mit dem Haus ein Gesamtkunstwerk, und jeder Versuch auch nur einen Stuhl von seinem angestammten Platz zu entfernen hätte den Einsturz des ästhetischen Konzepts zur Folge.
Wie jeder einzelne Gegenstand im Haus, so hat auch sein Lebenspartner Jim über die Jahre tragende Rolle übernommen. Er war das verbindende Glied zwischen Georges streng geordneten Inneren und der sinnlich chaotischen und unkontrollierbaren Außenwelt. George ist somit in seiner Trauer weniger in der Vergangenheit als in seinem eigenen neurotischen Selbst, seiner „Le Corbusieritis“, gefangen, das repräsentiert durch sein Haus, keinerlei unerwarteten Eingriffe, wie es Jims Tod darstellt, erlaubt, ohne dass es zusammenbricht.
George erlebt die Welt durch ein sinnetrübendes Fenster bzw. den gläsernen Wänden seines Hauses. Er sieht sie zwar, ist aber ohne Jim nicht mehr in der Lage sie zu fühlen.
Es sind also weniger die sozialen Normen, wie beispielsweise in Louis Malles „Le feu follet“, die den Protagonisten in den Selbstmord treiben. George ist trotz seiner Homosexualität, die scheinbar ein offenes Geheimnis ist, in seiner spießigen gutbürgerlichen Nachbarschaft vollständig integriert. Die sexuelle Orientierung spielt also in der Hinsicht eine eher untergeordnete Rolle. In „A Single Man“ inszeniniert ein schwuler Regisseur zwar einen schwulen Protagonisten, jedoch handelt es sich um keinen schwulen Film. Die Thematik würde ebenso gut vor heterosexuellem Hintergrund funktionieren.
Schnitt auf die roten Lippen, Schnitt auf die blauen Augen, nackte tennisspielende Oberkörper, ein lasziv rauchender Brigitte Bardot Lookalike. Die Allgegenwart von Sex fällt sofort auf, soll er doch ganz offensichtlich den Kontrast zu Georges grauer depressiver Welt bilden und ihn davon überzeugen, dass auch andere Mütter schöne Söhne haben. Aber ob ein Suizidaler, jemand, der wie George beschlossen hat sich noch am selben Tag von der Welt zu verabschieden, wirklich durch ein paar sexuelle Reize von seinem Vorhaben abgebracht werden kann, dass ein bisschen nacktes Fleisch das bewirken kann, wofür eigentlich gut ausgebildetes Fachpersonal zu Rate gezogen werden müsste, erscheint mir doch etwas fragwürdig.
Den Schwerpunkt legt Ford eindeutig auf das Visuelle. Auffällig ist, neben den etwas zu gut aussehenden Charakteren, allen voran den schwulen Posterboys Kenny und Carlos, die Art wie Ford mit Farbe umgeht um bestimmte Stimmungen zu vermitteln: Entsättigte Farben weisen eindeutig auf Georges Depression hin wohingegen die raren schönen Momente in leuchtende Farben getaucht sind. Der Flashback entführt uns in eine schwarz-weiße Vergangenheit, einer Felsenlandschaft, in der George und Jim ebenso gut für die neueste Dior Homme Kampagne posieren könnten.
Das Gefühl, es handle sich eigentlich um eine überaus gelungene Werbekampagne, einem Parfum-Werbespot mit Überlänge, ließ mich den ganzen Film über nicht los. Jedoch meine ich das durchaus im positiven Sinn. Lassen sich doch meinen schönsten Momenten auch ganz bestimmte Düfte zuordnen: Paris by Yves Saint Laurent, Coco Mademoiselle by Chanel, Pure by Jil Sander, A Single Man by Tom Ford.

To work or not to work?

Sonntag, 16. Mai 2010

C/O Berlin: Die Stadt - Vom Werden und Vergehen

Ich würd mich ja nicht unbedingt als den Prototypen des arroganten Großstädters bezeichnen, der sich über allerlei Zugezogenes Pack aus den Provinzen der Republik aufregen muss. Hier bei mir im Wedding ist Berlin noch Berlin und wenn hier irgendwann mal gentrifiziert werden sollte, dann wird das wohl auch von Berlinern ausgehen. Die mit viel Verachtung gestraften Schwaben sind ja drüben im Prenzlauerberg auch gut mit der Aufzucht ihres Nachwuchses beschäftigt und stellen daher auch keine ernstzunehmende Bedrohung mehr dar. Nicht dass ich mich jemals bedroht gefühlt hätte durch Zugezogene oder ernsthaft glaube, dass noch großartige Unterschiede zwischen Stadt- und Landbevölkerung bestehen. Ich bin mir ganz sicher, dass in der Berliner Peripherie mindestens genauso viel engstirniges Bauerntum vorhanden ist, wie in so mancher mittleren Großstadt.
Dreiviertel der deutschen Haushalte besitzt mittlerweile Zugang zum Internet und somit hat man auch in der mecklenburgischen Seenplatte oder in der sächsischen Schweiz Zugang zu kultureller Vielfalt, die lange Zeit nur den Städtern vorbehalten war. Trotz der digitalen Revolution ist ein eindeutiger Trend Richtung Stadt auszumachen. Seit 2008 leben weltweit mehr Menschen in Städten als auf dem Land.
Diesem Thema widmet sich derzeit die C/O Galerie und zeigt in Zusammenarbeit mit der Ostkreuz Agentur für Fotografie Zeugnisse der rasanten Urbanisierung unserer Welt.

 (Bild: ostkreuz.de)
 
Den Auftakt macht Thomas Meyer, der ein Dubai zeigt, das so künstlich scheint wie ein 3D Rendering. Die Stadt, eine Glas- und Stahlbetonwüste, wirkt in seinen Fotografien so menschenfeindlich, wie die Umwelt, die sie umgibt. Die ab und an zu sehenden Menschen nehmen zwischen der monumentalen Szenerie eine Statistenrolle ein, wirken so nebensächlich wie auf einer architektonischen Entwurfszeichnung. Meyers Fotografien können als bezeichnend gelten für die Entfremdung, nicht nur von der Stadt, die sich ganz den Bedürfnissen ihrer Bewohner entzogen hat, sondern auch von der eigenen Vergangenheit als wanderndes Beduinenvolk.

 (Bild: ostkreuz.de)

Der scheinbaren Utopie Dubais stellt Dawin Meckel die soziale Dystopie der ehemals bedeutenden Industriestadt Detroit entgegen, die sich mit dem Niedergang der amerikanischen Automobilindustrie, langsam aber sicher, zur Geisterstadt entwickelt. Meckel zeigt eine Stadt, die mitsamt ihren Bewohnern dem Vergessen preisgegeben ist. Der Anblick der Portraitierten, die scheinbar ziellos in den verwaisten Straßen umherirren, weckt spontane Assoziationen mit postapokalyptischen Zombiestreifen á la 28 Days Later. Der „Big Gulp“ Becher auf dem Küchentisch kann nur noch als ein zynischer Kommentar auf den American Way of Life gesehen werden, der sich in Detroit in ein American Nightmare verwandelt hat.

 (Bild: ostkreuz.de)
 
Keine klagenden Mütter, keine verkohlten Leichen, keine brennenden Häuser. Heinrich Voelkel verzichtet ganz bewusst auf „Große-Kulleraugen-Fotos“ und setzt der allgemein eher emotionalen Berichterstattung aus Krisengebieten eine nüchtern kritische Bestandsaufnahme des Lebens im Gaza Streifen, nach der israelischen Militäroffensive im Dezember 2008, gegenüber. Sein Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Trümmerarchitektur und wie sich die Bewohner mit ihr notgedrungen arrangieren, indem sie beispielsweise die eingestürzte Hauswand einfach durch die Schrankwand ersetzen. Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir das Bild von dem Sternenhimmel, der sich bei genauer Betrachtung als Ruß-geschwärzte und mit Einschusslöchern übersäte Decke herausstellt. Es strahlt eine seltsam anmutende Art von Schönheit aus, für die ich mich fast schon schäme, sie entdeckt zu haben. Jedoch hatte ich beim Betrachten der Bilder nie das Gefühl, gleich in die Sentimentalitätsfalle zu tappen. Voelckel zeigt keine gelähmten Opfer, sondern starke Menschen, die die Hoffnung nicht aufgeben wollen.

 (Bild: ostkreuz.de)
 
Die bulgarische Fotografin Pepa Hristova widmet sich in ihrer Arbeit der Identitätssuche, ihrer eigenen und die, der von ihr portraitierten Tokioter.
Aufgrund der strengen sozialen Normen suchen Japaner oftmals einen Ausgleich in der Annahme einer Phantasieidentität, die sie beispielsweise im traditionellen No-Theater oder verkleidet als ihre Lieblingscomicfigur ausleben, um somit ihrem straff organisierten Alltag für einen kurzen Moment entfliehen zu können.
Der Hundebesitzer, der sich wie ein japanischer Siegfried oder Roy inmitten seiner zwei riesigen weißen Hunde hat ablichten lassen, wirkt zwischen den für den westlichen Geschmack exzentrischen Rollenspielern so seltsam normal und angepasst und ist trotzdem bei weitem devianter, einfach
aufgrund der Tatsache, dass die Fantasiewelt der Rollenspieler ebenso strengen Normen und Regeln unterworfen ist, wie die reale Welt.

 (Bild: ostkreuz.de)
 
Einziger Wermutstropfen, der ansonsten überaus gelungenen Ausstellung, stellt Andrej Krementschouks Fotoserie dar. Während Detroit den Anschein einer Postapokalyptischen Stadt gibt, handelt es sich bei Prypjat um eine Tatsache. Nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl von seinen Bewohner verlassen, liegt die Stadt nun seit fast 25 Jahren im atomaren Dornröschenschlaf.
Krementschouks Aufnahmen zeigen geplünderte Büros, sozialistische Wandgemälde, vergilbte Portraits von hochrangigen Parteifunktionären - nichts, was man nicht auch schon woanders gesehen hat. Vor allem in Zeiten, in denen jeder Depp gegen ein gewisses Entgelt, bewaffnet mit DSLR und Geigerzähler durch Prypjat wandern kann, stellt das schon eine enttäuschend schwache Leistung dar.
Doch insgesamt betrachtet, also inklusive der Fotografen, die an dieser Stelle unerwähnt bleiben, handelt es sich um eine wunderbar kuratierte Ausstellung, deren Besuch ich uneingeschränkt weiterempfehle.

Freitag, 14. Mai 2010

Die (Ohn)macht der Straße - Modeblogs und Demokratie

Couturier - ich mag diesen Begriff, ich mag den Klang, die Tatsache, dass es französisch ist. Das hat was Patriarchalisches bzw. matriarchalisches und auch ein bisschen was exzentrisches. Er steht für ein System, an dessen Spitze eine Person steht, die mit ihrem Namen für die handwerkliche Qualität ihres Produktes bürgt. Wenn man ihn hört, denkt man zwangsläufig (vor allem aufgrund des Films, den ich aber nicht gesehen hab) an Mademoiselle Chanel, die mit Kippe im Mund, wie eine strenge Mutter, das Kostüm am Modell nochmal zurechtzupft, bevor Sie es auf den Laufsteg schickt.
Wenn man heutzutage von Modeschaffenden spricht, dann spricht man meistens von Modedesignern. Design, ein Begriff freundlich und nett, rund und chic, kosmopolitisch, und auch ein bisschen wichtig(tuerisch). Vor allem aber demokratisch, so demokratisch, wie die englische Sprache, der er entstammt. Bei Design denkt man an helle Agenturräume, in denen um einen Eiermann Tisch, auf Eames Stühlen, coole hippe Leute versammelt sitzen und ihr nächstes super Projekt besprechen.
Es ist wohl Pierre Cardin, den man als ersten Modedesigner bezeichnen darf, der die Couture hinter sich ließ und mit seiner ersten Prêt-à-porter Kollektion, einen Eklat in der Modewelt, die hauptsächlich aus den Couturiers und deren reiche Kundinnen bestand, auslöste. Er erkannte den Zeitgeist und versorgte die breite Masse mit moderner, zeitgemäßer und vor allem praktischer Mode. Cardin revolutionierte und demokratisierte sie.
Wie es scheint, befinden wir uns wieder mitten in einer weiteren Revolution. Fast schon inflationär wird der Begriff der Demokratisierung der Mode in Verbindung mit Modeblogs genannt. Jeder der meint sich zum Phänomen Modeblog äußern zu müssen, erwähnt ihn früher oder später.


Sozialistischer Luxus

Susie Bubble (Bild: stylebubble.typepad.com)

„Bloggen demokratisiert das Business.“ So wird beispielsweise Stefano Gabbana vom Designerduo Dolce und Gabbana in der FAZ zitiert. Das was genau damit gemeint ist bleibt erst mal schleierhaft. Gabbana scheint uns damit nahezulegen, dass es sich beim (Mode)Business um ein repressives Regime handelt, an dessen Spitze sich eine herrschende Elite befindet, der sich der Normalsterbliche, ohne Aussicht auf Mitbestimmung, zu fügen hat. Eine wunderliche Aussage, wenn man bedenkt, dass die Herren Dolce & Gabbana Teil dieser Elite (oder vielleicht doch nur Handlanger?) sind. Ganz offensichtlich tritt hier der wirtschaftliche Aspekt zutage. Warum sollten sie ein Demokratiebestreben begrüßen, wenn nicht aus wirtschaftlichen Gründen.
Fakt ist, Blogger wie Bryan Boy oder Susie Bubble sind längst in der Front Row angekommen und haben klassischen Journalisten als Meinungsmachern und Trendsettern längst den Rang abgelaufen.
In kürzester Zeit avancierten Blogger von bloßen Modeinteressierten, die ihre Leidenschaft mit gleichgesinnten teilen wollten, zu gefürchteten, gehassten, bewunderten Persönlichkeiten, zu regelrechten Stars und Lieblingen der Designer. Unter diesen Umständen war es natürlich nicht verwunderlich, dass bald die ersten Stimmen laut wurden, die den Bloggern vorwarfen bloßes Marketing-Werkzeug zu sein. Da die meisten privaten Blogs eher nebenbei als Hobby gepflegt werden, ist die Versuchung natürlich groß, sich durch ein paar verkaufte Blogeinträge etwas dazuzuverdienen. Anfällig sind dafür besonders kleinere, weniger bekannte Blogs, die dann schon mal ein Gratis Mobiltelefon abstauben können, im Gegenzug für einen ausführlichen Testbericht.
Blogger dienen als Vorbild, als modische Vorkoster. Sie ebnen den Weg für neue Trends und tragen dabei auch die Botschaft von einem „sozialistischen Luxus“ übers Netz bis in die entlegensten Ecken der Welt. Jeder soll die Chance und vor allem auch das Recht auf ein bisschen Luxus haben bzw. das Recht zu wissen, dass es theoretisch möglich ist diesen Luxus zu erreichen. Sei es auch nur durch eine dreiste Kopie von Zara, die aber Dank aufwendiger Werbekampagne, inklusive Supermodel und Starfotograf, zwar nicht derselbe Hauch von Luxus umweht, aber gesellschaftlich weitgehend akzeptiert ist. Das wiederum führt, dadurch dass sich Luxus lediglich über eine abstrakte Idee als über hochwertiger Materialien und Handwerkskunst definiert, zu eine Profanisierung selbigen.
Demokratisierung lässt sich in diesem Fall wohl eher als eine Markterweiterung, weniger als eine Öffnung und Teilhabe am Markt verstehen.

 
 Bryanboy (Bild: bryanboy.com)

Doch ist es den Mode-Bloggern möglich das Phänomen Mode an sich, d.h. die Systematik die uns immer wieder neue Trends, Kollektionen, Farben und Formen beschert, zu demokratisieren?

Das wär echt knorke.
Wie bitte? „Knorke“? So etwas kann man heutzutage doch nicht mehr ohne ironischen Unterton sagen.
Frage: Was hat eine Imbisbudenvokabel wie „knorke“ mit Plateaustiefeln der Marke Buffalo gemeinsam (Wir erinnern uns?)?
(Beste) Antwort: Es ist mehr oder weniger aus der Mode.
Bis vor einiger Zeit hätte ich wohl noch die Schulterpolster als Beispiel genommen. Diese haben jedoch mittlerweile eine überraschende Renaissance erfahren und können daher leider nicht mehr als abschreckendes Beispiel fungieren.
Mode, wie das Beispiel so schön illustriert, manifestiert sich in verschiedenen Formen. Da wir Menschen aber sehr stark visuell geprägt sind, zeigt sie sich am deutlichsten an unserer Kleidung.
Mode ist weitaus komplexer als sie uns erscheint. Ein Umstand, der eine Demokratisierung scheinbar nur unter großem Aufwand möglich macht.


Zeig, was du hast

Die Soziologin Elena Esposito, die sich u.a. mit dem Thema Mode auseinandersetzt, beschreibt in ihrer „Theorie der Beobachtung“ eine modische Konsensbildung, basierend auf gegenseitiger Beobachtung.
Das heißt in der Praxis: Ich beobachte dich (und das, was du trägst), du beobachtest mich (und das, was ich trage), ich beobachte, wie du mich beobachtest und du beobachtest, wie ich dich beobachte.
Mode ist ein Zustand der durch seine Unbeständigkeit charakterisiert ist. Sie ist ein Konsens der nur kurz Bestand hat, da permanent beobachtet wird und sich der Beobachtung permanent angepasst wird. Eine Demokratie, wenn auch eine ziemlich labile, kommt im Grunde dadurch zustande, dass jeder Teil dieses Beobachtungsprozesses ist und sich beim Anpassungsprozess jeder auf den anderen stützt.
Anhand der Modeblogs lässt sich das bestens nachvollziehen.
In einer Zeit, in der sich das Leben immer weiter in die virtuelle Welt des Internets verlagert und somit öffentlich wird, wird sich zwangsläufig auch über das Thema Datenschutz Gedanken gemacht. Bemerkenswerterweise scheint die freiwillige Preisgabe von persönlichen Daten keinerlei Einschränkung zu erfahren. Die freizügige Penisparade bei Chatroulette erscheint jedoch so unglaublich unspektakulär und lahm, nicht weil wir durch allgegenwärtige und allzeit verfügbare Pornographie abgestumpft sind, sondern weil der Penis uns nichts über die Person verrät. Modeblogs dagegen weisen einen überraschend exhibitionistischen Charakter auf. Mit seinem Blog ist man der Star in seiner eigens für sich selbst kreierten Klatschspalte.
Ein integraler Bestandteil des Modeblogs ist die Präsentation eigener Outfits, die oft schon in der Umkleidekabine fotografiert werden. Hier zeigen sich einerseits der exhibitionistische und anderseits auch der affirmative Charakter: Auch wenn nicht ausdrücklich nach einer Meinung gefragt wird, so wird das Outfit trotzdem über die Kommentarfunktion bewertet, und je nachdem, ob die Meinungen positiv oder negativ ausfallen, gekauft oder nicht (wenn schon gekauft, dann wird’s zurückgebracht oder verschwindet auf Nimmerwiedersehen im Schrank). Das negiert dann zwar das allgemeine Streben nach Individualität und Originalität, trägt aber zur Konsensbildung und einer demokratischen Form von Mode bei.


Die Geschmacksaristokratie 

 The Facehunter (Bild: Modabot.de)

Streetstyleblogs, wie The Facehunter oder The Sartorialist widmen sich voll und ganz der Dokumentation von originellen Outfits. (Mittlerweile geht der Trend dazu über, Originale in originellen Outfits in deren originell eingerichteten Wohnungen auf originelle Art und Weise abzulichten. Siehe: The selby, Freunde von Freunden, ArtschoolVets). Sie haben den Anspruch Alternativen zu der von den Modemagazinen propagierten Mainstream-Mode aufzuspüren und zu dokumentieren. Tag für Tag streifen sie also durch die hipsten Quartiere der Stadt (Williamsburg New York, Berlin Mitte, Shoreditch London, jede noch so popelige Fashionweek) auf der Jagd nach individuellen Individuen.
Streetstyleblogs fungieren als Galerie und Katalog zugleich. Die gezeigten Styles wollen als individuelle kreative Leistung gewürdigt werden, animieren aber auch immer zum Kopieren, wodurch ihr Status als Originale bekräftigt wird. Zwar müssten sie, allein durch die Tatsache, dass sie für den Blog fotografiert wurden, schon als Original gelten, jedoch kann ein Original immer nur zwischen Kopien existieren. Das Streben nach Individualität negiert sich selbst. Wer sich für einen Streetstyleblog fotografieren lässt, wird geadelt und verliert im selben Moment auch schon wieder seinen Titel und wird wieder gewöhnlich.
Die demokratische Konsensbildung erfährt bei den Streetstyleblogs, im Gegensatz zu den privaten persönlichen Modeblogs, jedoch eine Einschränkung. Das demokratische „Anything-goes-Gefühl“, das Streetstyles suggerieren, kann sich auch nur in dem Rahmen bewegen, den der Blogger, durch die von ihm persönlich ausgewählten Styles, festgelegt hat. Das heißt ganz konkret: Was tragbar ist, bestimmt der Blogger.
Ein positiver Kommentar gilt in erster Linie dem fotografierten Original, unterschwellig wird dabei aber auch der Blogger gelobt, da er es offensichtlich geschafft hat im Meer der 08/15 Gekleideten eine stilistische Perle zu entdecken. Dem Blogger wird die magische Fähigkeit zugesprochen, zwischen gut und schlecht gekleidet, zwischen schön und hässlich differenzieren zu können.

Besteht deshalb Anlass zur Sorge, wenn plötzlich ein Starkult um Modeblogger entbrennt und eine Minderheit die modischen Strippen zieht? Würden wir so die Demokratie nicht gegen, wie Pierre Bourdieu es nannte, eine Geschmacksaristokratie eintauschen?
Denn das einzige, was sie scheinbar dazu legitimiert, ist, dass sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort das richtige getan haben, weniger ihre journalistischen Fähigkeiten, noch ihr subjektives Gespür für modische Trends. Dass die Spitzenriege der deutschen Modeblogger im Grunde eigentlich austauschbar ist, zeigte der Artikel in der ZEIT Online mit dem, im Vergleich zum dürftigen Inhalt, (was man teilweise auch dem Desinteresse der ZEIT anhaften kann) pompösen Titel „Die Macht der Straße“: Auf ziemlich banale Fragen folgten leider auch ziemlich banale Antworten. Eine Gruppe ohnmächtiger Vorzeigeblogger, die zwar reden, aber nicht wirklich was zu sagen haben. 


Passiv aggressiv 

 Tavi Gevinson (Bild: thestylerookie.com)

Noch nie war es so einfach seine Meinung der Welt kundzutun. In Zeiten von Blogs und Social Communities wirken Demos draußen auf der Straße, also offline, so seltsam antiquiert. Sich an Schienen ketten, Steine schmeißen, sich mit Hundertschaften prügeln, das hat so ein unglaublich angestaubtes, fast schon spießiges Image bekommen. Sowas machen Leute, bevor sie eine Glanzkarriere als Politiker bis ins Außenministerium durchlaufen. Die einzigen, die heute noch so am Rad drehen dürfen, sind die Franzosen, deren Nationalfeiertag basiert immerhin auf einer riesigen Straßenschlacht, die inoffiziell ab und an in den Pariser Banlieus nachgestellt wird.
Wenn man jetzt mit irgendwas unzufrieden ist, wenn irgendwo Missstände herrschen, dann gründet man einfach eine Facebook Gruppe (z.B.: Für jedes Mitglied eine Kerze für die Opfer auf Haiti) und wartet ab, bis sich das Problem von selbst gelöst hat. Web 2.0 hat uns zu passiven Zuschauern und damit auch zu passiven Kritikern gemacht. Sehr schön auch unter Modebloggern zu beobachten.
Eine Demokratisierung der Mode müsste aber zwangsläufig zu einer kritischen Auseinandersetzung mit selbiger führen. Gerade weil Blogger, im Gegensatz zu den Printpublikationen unabhängig (aber wie man nun weiß, auch nicht abgeneigt) von Werbeeinnahmen sind, setzte man während der anfänglichen Euphorie alle Hoffnung in sie, als unabhängige und kritische Kontrollinstanz, als Parlament in der Konstitutionellen Monarchie der Mode. Die Aura der Unbestechlichkeit ist ja mittlerweile verflogen und kritisiert wird, wenn dann auch nur passiv.
Das kann man einerseits damit erklären, dass Kritik von Seiten der Leser unerwünscht ist. Denn Mode, was in den meisten Fällen den Konsum von Mode bezeichnet, soll ja Spaß machen und da ist kein Platz für Kritik. Andererseits damit, dass von Seiten der Blogbetreiber, die gezwungen sind ihren Blog täglich zu aktualisieren um ihre Leser zu behalten, zu viel Aufwand betrieben werden müsste, und, das gilt für die Großen im Geschäft, Gefahr laufen würden sich bei den Designern unbeliebt zu machen und somit die nächste Fashionweek im besten Fall von der letzten Reihe aus, im schlimmsten Fall zwischem dem gemeinen Pöbel beim Public Viewing vorm Show Zelt erleben zu müssen.
Also bloß niemanden auf die Füße treten, immer schön bitte und danke sagen und nett lächeln.
Das dreizehnjährige Blogger-Wunderkind Tavi Gevinson, die mit ihrem Blog Stylerookie und ihrem naiv eklektischen Kleidungsstil zum gerngesehenen Gast auf Schauen und Inspirationsquelle geworden ist, äußerte sich in der Frühjahrs Ausgabe der Qvest bezeichnend: „Wenn ich etwas mag, dann spreche ich das offen aus, wenn nicht, dann feature ich es erst garnicht.“

Mode folgt per se keinem erkennbaren rationalen Gesetz und ist daher so wie sie uns im Moment erscheint austauschbar, unvorhersehbar, und vor allem höchst widersprüchlich.
Die Rückkehr der Schulterpolster aus den tiefsten Tiefen der modischen Vergangenheit lässt sich nicht wirklich überzeugend erklären, und warum wir Overkneestiefel plötzlich nicht mehr mit Prostituierten in Verbindung bringen, ebenso wenig. Allein beim Gedanken daran lief uns noch vor nicht allzu langer Zeit ein kalter Schauer über den Rücken und jetzt soll es auf einmal chic sein, wie eine Edelhure aus den Achtzigern auszusehen? Fehlt nur noch die Dauerwelle. Soll das etwa schön sein?
Schon der gute alte Kant schrieb vor über 200 Jahren in seiner Kritik der Urteilskraft über die Subjektivität des Schönen.
Somit fahren Tavi und ihre Kollegen scheinbar auf der sicheren Schiene, wenn sie nur das in ihren Blogs featuren, was sie persönlich schön finden und sich über den (subjektiv) hässlichen Rest in diplomatisches Schweigen hüllen. In diesem Fall ist die Notwendigkeit einer Rechtfertigung einer demokratischen Debatte kaum vorhanden. Wo hingegen Kritik immer gerechtfertigt und objektiv nachvollziehbar sein sollte. Doch unter den Gegebenheiten, angesichts der Widersprüchlichkeit der Mode, ist eine kritische Auseinandersetzung, die die Qualität eines persönlichen, also subjektiven Geschmacksurteils übersteigt, kaum möglich.

Mittwoch, 12. Mai 2010

Soundtrack fürs Wochenende

Ja, ich weiß, bis zum Wochenende sinds noch ein paar Tage. Scheiß drauf, jetzt gibts erstmal Yellow Magic Orchestra. Muss sein, geht leider nicht anders, zu gut.