This is Chris NOT LA

Sonntag, 23. Mai 2010

A Single Man - A Fragrance by Tom Ford


Models, die sich als Schauspieler versuchen, das kennt man. Früher oder später, ungefähr mit Mitte zwanzig, setzen die Modelwechseljahre ein. Man fängt an nach Größerem zu streben, möchte endlich ernst genommen werden. Die Karriere wird vom Laufsteg ins cineastische Mittelmaß verlegt.
Modedesigner, die eine Zweitkarriere als Regiesseur anstreben, kennt man eigentlich nur von Karl Lagerfeld, der neben recht lahmer Mode für Chanel und ebenso unspannender Fotos seines Boytoys Baptiste Giabiconi, neuerdings auch ziemlich amateurhafte Kurzfilme bietet.
Etwas ernsthafter geht es dagegen Kollege Tom Ford an. Nun hab ich es mit einiger Verspätung doch noch endlich zu seinem Gesellenstück A Single Man ins Kino geschafft.
Inwieweit der Film sich an Christopher Isherwoods Romanvorlage hält, kann ich leider nicht sagen, da ich sie nie gelesen hab. Jedoch bin ich der Meinung, dass dies für die Bewertung des Films irrelevant ist. So wie ein Foto nie die Wirklichkeit darstellt, kann auch der Film nur eine Interpratation der literarischen Vorlage sein und kann daher nur als solche bewertet werden.

Ein Mann erwacht aus seinem Albtraum, ehe er sich mühsam aus dem Bett quält um seine allmorgendliche Verwandlung in George Falconer, seines Zeichens Literaturprofessor an einer Uni in Los Angeles, zu vollziehen. Sein langjähriger Lebenspartner Jim kam vor ungefähr 8 Monaten bei einem Autounfall ums Leben. Seitdem wird George von schweren Depressionen geplagt. Dies soll sein letzter Tag werden.
Ford zeichnet hier das Portrait eines Mannes, der sich und sein Leben gänzlich einem Konzept unterworfen hat, das vor allem in seinem modernistischen Haus, das wie ein Raumschiff in seiner bürgerlichen Nachbarschaft thront, zum Ausdruck kommt. Jeder Handgriff in der morgendlichen Routine, jeder Gegenstand scheint dort präzise verortet zu sein, und bildet mit dem Haus ein Gesamtkunstwerk, und jeder Versuch auch nur einen Stuhl von seinem angestammten Platz zu entfernen hätte den Einsturz des ästhetischen Konzepts zur Folge.
Wie jeder einzelne Gegenstand im Haus, so hat auch sein Lebenspartner Jim über die Jahre tragende Rolle übernommen. Er war das verbindende Glied zwischen Georges streng geordneten Inneren und der sinnlich chaotischen und unkontrollierbaren Außenwelt. George ist somit in seiner Trauer weniger in der Vergangenheit als in seinem eigenen neurotischen Selbst, seiner „Le Corbusieritis“, gefangen, das repräsentiert durch sein Haus, keinerlei unerwarteten Eingriffe, wie es Jims Tod darstellt, erlaubt, ohne dass es zusammenbricht.
George erlebt die Welt durch ein sinnetrübendes Fenster bzw. den gläsernen Wänden seines Hauses. Er sieht sie zwar, ist aber ohne Jim nicht mehr in der Lage sie zu fühlen.
Es sind also weniger die sozialen Normen, wie beispielsweise in Louis Malles „Le feu follet“, die den Protagonisten in den Selbstmord treiben. George ist trotz seiner Homosexualität, die scheinbar ein offenes Geheimnis ist, in seiner spießigen gutbürgerlichen Nachbarschaft vollständig integriert. Die sexuelle Orientierung spielt also in der Hinsicht eine eher untergeordnete Rolle. In „A Single Man“ inszeniniert ein schwuler Regisseur zwar einen schwulen Protagonisten, jedoch handelt es sich um keinen schwulen Film. Die Thematik würde ebenso gut vor heterosexuellem Hintergrund funktionieren.
Schnitt auf die roten Lippen, Schnitt auf die blauen Augen, nackte tennisspielende Oberkörper, ein lasziv rauchender Brigitte Bardot Lookalike. Die Allgegenwart von Sex fällt sofort auf, soll er doch ganz offensichtlich den Kontrast zu Georges grauer depressiver Welt bilden und ihn davon überzeugen, dass auch andere Mütter schöne Söhne haben. Aber ob ein Suizidaler, jemand, der wie George beschlossen hat sich noch am selben Tag von der Welt zu verabschieden, wirklich durch ein paar sexuelle Reize von seinem Vorhaben abgebracht werden kann, dass ein bisschen nacktes Fleisch das bewirken kann, wofür eigentlich gut ausgebildetes Fachpersonal zu Rate gezogen werden müsste, erscheint mir doch etwas fragwürdig.
Den Schwerpunkt legt Ford eindeutig auf das Visuelle. Auffällig ist, neben den etwas zu gut aussehenden Charakteren, allen voran den schwulen Posterboys Kenny und Carlos, die Art wie Ford mit Farbe umgeht um bestimmte Stimmungen zu vermitteln: Entsättigte Farben weisen eindeutig auf Georges Depression hin wohingegen die raren schönen Momente in leuchtende Farben getaucht sind. Der Flashback entführt uns in eine schwarz-weiße Vergangenheit, einer Felsenlandschaft, in der George und Jim ebenso gut für die neueste Dior Homme Kampagne posieren könnten.
Das Gefühl, es handle sich eigentlich um eine überaus gelungene Werbekampagne, einem Parfum-Werbespot mit Überlänge, ließ mich den ganzen Film über nicht los. Jedoch meine ich das durchaus im positiven Sinn. Lassen sich doch meinen schönsten Momenten auch ganz bestimmte Düfte zuordnen: Paris by Yves Saint Laurent, Coco Mademoiselle by Chanel, Pure by Jil Sander, A Single Man by Tom Ford.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen