This is Chris NOT LA

Montag, 1. März 2010

Nachruf


„Volksbedarf statt Luxusbedarf“ skandierte Hannes Meyer und formulierte somit die Leitidee, nach der am Bauhaus unterrichtet und gearbeitet wurde. Als ökonomisches, preislich für jedermann erschwingliches Möbelstück wurdest, unter anderem du, lieber B3 bzw. Wassily Sessel, dort 1925 von Marcel Breuer entwickelt.
Der kommerzielle Erfolg blieb dir damals leider verwehrt. Die Idee hinter dir war den Leuten wohl zu avantgardistisch oder sozialistisch, jedenfalls verstanden sie dich nicht. Avantgarde gilt mittlerweile aber als chic und dafür ist man nun auch bereit einen obszön hohen Preis zu zahlen. Die Menschen haben dich immer noch nicht verstanden. Während du damals als schichtenübergreifendes Möbel erdacht wurdest, als ein Zeichen von Fortschritt galtest, markierst du heute die Grenze zwischen oben und unten. Entfremdet von deiner eigentlichen Funktion als (gar nicht mal so unbequeme) Sitzgelegenheit fristest du dein Dasein in Unternehmenszentralen, Hotellobbies, Anwaltskanzleien, Arztpraxen, Galerien … und meinem Zimmer. Erworben zu einem obszön niedrigen Preis stehst du nun da, verchromtes Stahlrohr, schwarzes Leder, der Porsche unter den Möbeln und sagst laut und zufrieden: Ich hab’s geschafft, ich bin angekommen. Komischerweise konnte ich mich immer mit dir identifizieren. Alles was, in meiner Wohnung steht, dachte ich, ist Teil von mir, repräsentiert mich. Doch bin ich weder Arzt, Anwalt oder Vorstandsvorsitzender eines Unternehmens noch bin ich angekommen. Ich hab keine Ahnung ob ich jemals IRGEND wo ankommen werde. Nur eins ist sicher, für meine Reise brauch ich das nötige Kleingeld, und falls ich dann doch mal ankommen sollte, Platz für einen Stuhl, der meinen Namen trägt.

Ärzte, Anwälte, Galeristen und Konzernmanager hinterlassen ihre Kondolenzen bitte hier.

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