(Bild: Jennifer Sawarzynski)
Als exemplarisches Erlebnis mit zeitgenössischer Kunst führ ich immer wieder gerne meinen Besuch im Hamburger Bahnhof vor einigen Jahren an. Mit den besten Absichten meinen kulturellen Horizont etwas zu erweitern ließ ich mich also auf die Flick Kollection ein und bezahlte dieses Vorhaben bitter. Gut, Herpes hab ich mir nicht zugegezogen, doch war das Preis-Leistungsverhältnis bzw. Preis-Unterhaltungsverhältnis ernüchternd. Ich fühlte mich In etwa so wie die deutsche Durchschnittsfrau nachdem sie die Vogue durchgeblättert hat: unzufrieden und voller Minderwertigkeitskomplexe. Der erhoffte Bildungszuwachs blieb aus, denn scheinbar fehlte mir die intellektuelle Grundlage um mich erfolgreich mit zeitgenössischer Kunst auseinandersetzen zu können. Natürlich konnte es nur nach hinten losgehen, war ich doch der festen Überzeugung der Künstler wolle sich mir über sein Kunstwerk mitteilen, mir ein Geheimnis offenbaren, das zu brisant, zu komplex ist um es auf einfacherem direktem Wege zu übermitteln.
Doch wie der Medientheoretiker Marshall McLuhan einmal bemerkte, ist die eigentliche Botschaft des Künstlers sein Image.
„It’s not how much you work on something that matters. It’s how much you get for it.” Belehrt der Galerist Bruno Bischofberger, gespielt von Dennis Hopper, den jungen, noch unbekannten Künstler Jean Michel Basquiat in Julian Schnabels gleichnamigen Film. Kunst kommt demnach also nicht von Können, sondern von Verkaufen. Ein gutgepflegtes Image kann da natürlich nur förderlich sein. Seien es nun Party- und Drogenexzesse à la Kippenberger oder die wilde Hausbesetzervergangenheit eines Daniel Richter. Selbst das Bad Boy Image Caravaggios zieht heute noch Besucher in die Uffizien.
Ein Künstler, dem sein Image scheinbar nicht so wichtig ist, sich aber trotzdem nicht über mangelnde Aufmerksamkeit beklagen kann ist Olafur Eliasson. Der isländische Künstler präsentierte sich mir im Berliner Gropius Bau fast schon mit protestantischer Bescheidenheit und Zurückhaltung. Vor meinem inneren Auge trägt Eliasson einen weißen Laborkittel und strahlt eine stoische Bescheidenheit aus, die fast schon vulgär ist. Das mag im ersten Moment in krassem Widerspruch zu seinen raumfüllenden Installationen stehen, die irgendwo zwischen Physikalischem Experiment und New Age Selbstwahrnehmungsseminar einzuordnen sind. Er macht die Art von Kunst, die Kifferherzen höher schlagen lässt und wahrscheinlich auch die von Liebhabern anderer Drogen. Und genau das macht ihn zu einem großen Künstler. Also nicht die Tatsache, dass er den Drogenkonsum verherrlicht, sondern dass er den Betrachter explizit in seine Kunst miteinbezieht. Er schließt ihn nicht aus, er stellt sich nicht über ihn. Ohne die Ausstellungsbesucher würde seine Kunst schlichtweg nicht funktionieren. Das heißt es geht weniger um Eliasson, also das was er uns über sich sagen will, als das was wir, durch die Betrachtung seiner Kunst, über uns und unser Verhältnis zum Raum und den Menschen, die sich in ihm befinden, erfahren können.
Den Raum selbst löst er dabei oft genug auf, sei es durch Nebel, Spiegel oder Licht. Was nicht nur zu Reflexionen sondern auch fast zu Kollisionen mit plötzlich aus dem Nebel auftauchenden Wänden führte.
Eliasson nutzt für seine Kunst physikalische Phänomene, gibt ihr dadurch eine logisch nachvollziehbare Basis und somit einen Angriffspunkt für das Verständnis seiner Arbeit. Die häufigste Frage, die ich mir stellte war: „Wie hat er das gemacht?“ weniger „Was meint er damit?“.
Trotz der wissenschaftlichen Anmutung ist Eliassons Werk somit das beste Beispiel für die Subjektivität und Emotionalität der Kunst.
Stehst du also im bunten Nebel und hast Spaß dabei, dann hast du vielleicht nicht unbedingt Eliassons Kunst kapiert, jedoch auch kein Geld verschwendet. Erhöht sich dagegen deine Herzfrequenz, hast Atemnot und Panikgefühle, dann hast du ganz offensichtlich den Warnhinweis am Eingang nicht ernst genug genommen.
Ich war an einem Tag erst im Hamburger Bahnhof, dann im Gropius Bau und könnte das von dir geschriebene, exakt so unterschreiben. es fällt schwer eliason irgendwie schlecht zu finden, wirklich "gut" ist er aber irgendwie auch nicht. ich finde mich regelmäßig angesichts seiner arbeit in dem zustand wieder, dass ich abfällig lache, ob der billigen inszenierung, gleichzeitig aber absolut begeistert, stauend, mit offenem mund dastehe. eine seltsame kombination, die mir aber irgendwie gefällt. dieses wasser-licht-stroboskop ding war auch unglaublich. so ein bisschen wasser, ein bisschen blitzendes licht und ich sitze eine gefühlte stunde begeistert in diesem raum... unglaublich. mal ganz zu schweigen von dem farben-nebel-raum.... "irgendwo zwischen Physikalischem Experiment und New Age Selbstwahrnehmungsseminar", das beschreibt es ganz gut. Ein Freund sparch von "Lavalampen für Millionäre" Es ist so bilig, aber es ist auch einfach gut.
AntwortenLöschenDie Ausstellung hat natürlich Jahrmarktcharakter. Das war eine Assoziation, die mir mehr als einmal durch den Kopf ging. Ich glaub auch, dass ich vorher noch nie soviele (fröhliche) Kinder durch eine Kunstausstellung hab toben sehen. Da ist natürlich für den "ernsthaften Kunstliebhaber" vielleicht erstmal befremdlich, wenn da der "Pöbel" einreitet. Kunst umgibt ja von je her eine mysteriöse und vor allem exklusive Aura, die für den Normalo natürlich abschreckend ist, weil er einfach nicht verstehen kann. Aber wie ich ja schon angemerkt hab, ist das verstehen zweitrangig. Selbst viel geachtete Kunstkritiker haben im Grunde keine Ahnung. Stattdessen werden Analogien, Verweise und Referenzen hergestellt, d.h. ein Künstler ist gut, wenn sich Verbindungen zu anderen guten Künstlern herstellen lassen. Man bewegt sich im selbstrefferentiellen Kreis, zu dem nur der Zugang hat, der über das nötige Bildungskapital verfügt. Eliassons Kunst dagegen ist ursprünglich, im positiven Sinn primitiv, weil sie nicht (nur) den Intellekt anspricht, sondern in erster Linie die Sinne.
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